Schluderei im Innenministerium – 2021 nicht zwei, sondern 45 dokumentierte queerfeindliche Angriffe

Die Sprecherin für Gleichstellungs‑, Inklu­sions- und Queer­poli­tik der Links­frak­tion, Sarah Bud­de­berg, befragt die Staat­sregierung regelmäßig zur polizeilichen Krim­i­nal­sta­tis­tik. Zwar erfasst diese nur einen Bruchteil der Über­griffe und Attack­en aus Hass gegen lgb­tiq* Men­schen, wie die Gewal­ter­fahrungsstu­di­en der LAG Queeres Net­zw­erk Sach­sen von 2019 und dem Gerede e.V. von 2020 sowie die Studie zu Lebensla­gen von lsb­tiq* Per­so­n­en in Sach­sen bele­gen. Den­noch dienen die Zahlen als Anhalt­spunkt für poli­tis­che Entschei­dun­gen über Gegenmaßnahmen.Die Kleine Anfrage zum Jahr 2021 beant­wortete das Innen­min­is­teri­um am 23. Mai 2022 mit der Auflis­tung von nur zwei Fällen für das gesamte Jahr (Druck­sache 7/9704). Der Tagesspiegel hat­te allerd­ings von 50 Fällen in Sach­sen berichtet, die das Innen­min­is­teri­um ihm auf Anfrage mit­geteilt habe. Angesichts der dies­bezüglichen Nach­frage Bud­de­bergs musste das Innen­min­is­teri­um nun ein­räu­men, dass seine Zahl von Mai grob falsch war: Nun­mehr wur­den 45 Fälle mit­geteilt, 43 davon seien wegen eines „Büro­ver­se­hens“ nicht genan­nt wor­den. Sarah Bud­de­berg erk­lärt dazu:

„Aus Stu­di­en und den Erfahrun­gen der Beratungsstellen wis­sen wir, dass die Zahlen der Polizei nur die Spitze des Eis­berges an gewalt­samen Über­grif­f­en gegen lsb­tiq* Men­schen abbilden. Den­noch hätte das Innen­min­is­teri­um stutzen und erken­nen müssen, dass die Angabe von nur zwei Fällen falsch sein muss. Dass dieser Lap­sus erst durch Nach­fra­gen von Presse und Oppo­si­tion zu Tage kommt, lässt befürcht­en, dass ein Bewusst­sein für die Gefährdungslage queer­er Men­schen in Sach­sen fehlt. Dabei haben alle Men­schen das Recht auf ein sicheres und gewalt­freies Leben!

Seit der Ver­ab­schiedung des ersten Säch­sis­chen Lan­desak­tion­s­planes Vielfalt 2017 wurde die Gewalt gegen queere Men­schen kaum eingedämmt. Die Ein­rich­tung der Ansprech­stelle für LSBTIQ* bei der Staat­san­waltschaft Leipzig und dem Lan­deskrim­i­nalamt sind erste Erfolge, aber nur ein Anfang. Innen­min­is­ter Schus­ter muss den drin­gen­den Hand­lungs­be­darf erken­nen und Maß­nah­men ergreifen. Die geringe Sank­tion­squote von unter 20 Prozent Verurteilun­gen zeigt, dass Polizei und Jus­tiz Defizite bei der Erken­nung und Ver­fol­gung queer­feindlich­er Has­skrim­i­nal­ität abbauen müssen. Erschreck­end ist auch, dass laut Lebensla­gen­studie nur sieben Prozent der Befragten einen queer­feindlichen Über­griff über­haupt anzeigen. Das Dunkelfeld ist offen­sichtlich sehr groß.

Um lsbtiq*-feindliche Angriffe zurück­zu­drän­gen, müssen die Anzeige­bere­itschaft und das Ver­trauen in die Insti­tu­tio­nen wach­sen. Fachkräfte und Multiplikator*innen müssen flächen­deck­end sen­si­bil­isiert wer­den. Der Blick in andere Bun­deslän­der zeigt, dass die Etablierung ein­er unab­hängi­gen Meldestelle als Schnittstelle zwis­chen Polizei, Jus­tiz und lsbitq*-Community ein erfol­gre­ich­es und vielver­sprechen­des Pro­jekt ist.“